Die Rede und die Propagandisten – Was deutsche Medien aus Xi Jinpings Rede machen
Vorbemerkung: Die liberale Großbourgeoisie Deutschlands, die durch ihre Medien, wie die Autorin minutiös dokumentiert, die Erzählung von der angeblichen Bedrohung durch die Aggressivität der souveränen, selbstbestimmten Volksrepublik China verbreiten lässt, sieht sich in der Tat bedroht, aber anders, als sie glauben machen lässt. Wie sie die Gefahr wirklich sieht, wird in solchen Medien angedeutet, die weniger der Volksverdummung und als der bürgerlichen Selbstverständigung dienen. Ein Beispiel dafür ist der Journalist, Autor und Medienmanager Gabor Steingart. Er schreibt in seinem elitären „Steingarts MorningBriefing“ vom 2. Juli 2021: „Es war einmal eine Zeit, in der nahezu alle Politiker und Ökonomen im Westen Anhänger der Konvergenztheorie waren. Diese Theorie besagt, dass die unterschiedlichen Staats- und Wirtschaftssysteme sich über kurz oder lang einander annähern werden…: Dieser Traum von der großen Harmonie und dem Ende des Systemwettbewerbs ist ausgeträumt….Der ökonomische Hintergrund der neuen Unversöhnlichkeit ist die Tatsache, dass China die erfolgreichste Wirtschaftsmacht ist, die diese Welt je hervorgebracht hat. Der Staat plant und protegiert die Wirtschaft, er kontrolliert und dirigiert das gesellschaftliche Leben, er lässt die freiheitlichen Inseln im Meer der Planvorgaben versinken…. Diese Erfolge müssen uns zugleich beeindrucken und ängstigen. Denn sie bringen – mit geradezu naturgesetzlicher Gewalt – eine neue Weltordnung hervor.“
Ergo: Was die liberale Bourgeoisie ängstigt, lässt die Gesamtheit der produktiv tätigen Menschen hoffen, die ein souveränes Deutschland und eine volksdemokratische Gesellschaft nach ihren Bedürfnissen erstreben und zu erkämpfen bereit sind. Ein Kampf, der durch eine neue Weltordnung außerordentlich begünstigt wird.
Die Webredaktion
Die Rede und die Propagandisten – Was deutsche Medien aus Xi Jinpings Rede machen
Gedroht hat er, der chinesische Präsident Xi Jinping, eine Rede voller Kriegsrhetorik gehalten – so reagierten deutsche Medien auf die Rede zum hundertsten Jahrestag der Gründung der KP Chinas. Keine Masche ist dabei zu schäbig, um den gewünschten Eindruck chinesischer Aggression zu erwecken.
von Dagmar Henn
Erstveröffentlichung am 02.07.2021 auf RT DE
Propaganda begreift man am besten am lebenden Beispiel, und gerade lässt sich diese aufs Feinste studieren – an der deutschen Berichterstattung über die Rede des chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping zum 100. Jahrestag der Gründung der KP Chinas. Aus einer Rede, die über eine Stunde dauerte und deren Niederschrift elf Seiten lang ist, werden überall dieselben drei Sätze zitiert, und das ohne den erforderlichen Zusammenhang.
Natürlich ist es billiger und weniger arbeitsintensiv, nur drei Sätze aus einer Agenturmeldung zu kopieren, statt die komplette Rede selbst zu lesen – sofern nicht gleich die Meldung selbst ganz kopiert wird. Und den Kontext einer Rede zu begreifen, erfordert manchmal ein wenig historisches Hintergrundwissen, das man ebenfalls nicht immer voraussetzen kann.
Wer es weniger poetisch ausdrücken will, spricht von den zerstörerischen Folgen des Opiumhandels, den mehrfachen Überfällen durch westliche Mächte, dem Zerfall der staatlichen Struktur, einer verbreiteten Opiumsucht, die in manchen Regionen ein Viertel der Bevölkerung erfasste, allgegenwärtiger Kriminalität und Korruption und als Sahnehäubchen obendrauf dem Überfall durch Japan begleitet von Massakern an der chinesischen Bevölkerung.
Das war der Ausgangspunkt, an dem sich China im Jahr 1949 nach dem Sieg der Volksbefreiungsarmee befunden hatte. Inzwischen wurde offiziell verkündet, dass es im ganzen Land, immerhin dem bevölkerungsreichsten der Erde, keine absolute Armut mehr gibt. Diese Bilanz ist durchaus beeindruckend, da muss man noch nicht einmal den Vergleich zu Indien ziehen, das damals etwas bessere Ausgangsvoraussetzungen hatte.
Die sehr realen und folgenreichen „100 Jahre der Erniedrigung“ nach 1840 haben natürlich etwas damit zu tun, dass Xi die Fähigkeit Chinas betont, sich zu verteidigen. Was macht die Westdeutsche Allgemeine daraus? „Präsident Xi wendet sich mit brachialen Worten an die USA“.
Die Referenz Xis auf die Jahrzehnte, in denen China der Spielball fremder Mächte war, bezeichnet sie als „Opfer-Mythos“. Und dann macht sie aus Sätzen, die im Grunde nur besagen: Wir unterwerfen niemanden und lassen uns auch nicht unterwerfen, und in denen Xi mit der Metapher der Großen Mauer aus Stahl ein völlig defensives Bild nutzt, selbst wenn sich mögliche Angreifer daran die Köpfe einrennen, ein „Wer dies wage, dem würde ‚an der Großen Mauer aus Stahl, geschmiedet von 1,4 Milliarden, der Kopf blutig geschlagen‘.“
In der offiziellen englischen Übersetzung ist an dieser Stelle die Rede von einem Kollisionskurs mit der Mauer; was schlicht besagt, der Angreifer fügt sich den Schaden selbst zu. Es gibt keine schlagenden Chinesen, und schon gar kein Blut.
Der Spiegel treibt mit diesen Sätzen das gleiche Spiel und leitet sie, damit der Leser gleich weiß, wohin die Reise geht, mit der Bemerkung ein, der Staatspräsident verpacke seine Drohungen in teils bemerkenswerte Metaphern.
Der Tagesspiegel, der ansonsten schlicht die dpa-Meldung kopiert, erklärt gleich in der Überschrift: „Präsident Xi Jinping warnt vor ‚Großer Mauer aus Stahl'“.
Die Tagesschau subsumiert diese wenigen Sätze unter „nationalistische Töne“ und nutzt ebenfalls eine möglichst martialische Formulierung: ein „Blutvergießen an einer Großen Mauer aus Stahl“. Und die bösen Chinesen hätten darauf noch „besonders großen Jubel und Applaus“ gespendet.
Das Handelsblatt findet die ganze Szenerie so noch zu langweilig. Bei ihm „schwört“ Xi „das Volk gegen ‚ausländische Mächte‘ ein“ und lässt ihn, der – das kann man bei CGTN überprüfen – die ganze Zeit ruhig und beherrscht gesprochen hat, immer wieder „rufen“.
Keine Überraschung, dass mit seinen Sätzen zu Taiwan in etwa das Gleiche passiert ist. Der Satz, in dem von friedlicher Wiedervereinigung die Rede ist, wird unterschlagen; stattdessen wird die Formulierung von der Zerschlagung der Bestrebungen zur Unabhängigkeit Taiwans zitiert, meist ohne dabei zu erwähnen, dass das durch die Festlandchinesen und die Taiwaner gemeinsam geschehen soll. In diesem Zusammenhang ist auch wieder das Handelsblatt besonders fantasievoll; es erwähnt, Taiwan habe nie der 1949 neu gegründeten Volksrepublik China angehört … Nun, die DDR hat ebenfalls nie der BRD angehört; trotzdem soll das eine Wiedervereinigung gewesen sein.
Selbstverständlich können jene, die Xi in seiner Rede mit den scheinheiligen Predigern gemeint hat, die glauben, sie hätten das Recht, China zu belehren, es auch in diesem Zusammenhang nicht lassen. Fast überall wird erwähnt, in Hongkong sei eine Demonstration am heutigen Tag wegen der Pandemie verboten. Und dann wird hinzugefügt, Kritiker sähen darin einen Vorwand.
Echt? Die Chinesen verbieten EINE Demonstration? Wegen Corona? Das ist ja unfassbar diktatorisch, das würde bei uns nie … Moment … Entschuldigung, doch … Nein, nicht nur eine … Aber trotzdem, das sind die Chinesen. Da muss das böse politische Gründe haben.
Die dpa-Meldung überschlägt sich geradezu als scheinheiliger Prediger, wenn auch in Kurzfassung: „Das Jubiläum der Partei wird überschattet von ausländischer Kritik an Chinas hartem Kurs in Hongkong, Menschenrechtsverstößen, unfairen Handelspraktiken, militärischen Muskelspielen gegenüber Taiwan oder in Territorialstreitigkeiten unter anderem im Südchinesischen Meer.“ Überschattet? Weil alle 1,4 Milliarden Chinesen täglich die Westpresse lesen und deshalb ganz erschüttert sind über diese vielen Vorwürfe, angesichts derer solche Lappalien wie die Beseitigung der Armut völlig verschwinden?
Die völlige Verkehrung der Geschichte schafft aber wieder einmal die Tagesschau. Denn die chinesischen Kommunisten sollten doch, so der Kommentar, besser in sich gehen und ihre Sünden aufarbeiten, statt das Jahrhundert zu feiern – „Jubelstimmung statt Aufarbeitung“. Und der Bericht über die Feier wird mit dem Zitat eines chinesischen Politologen garniert, der gerne den Stichwortgeber für Westmedien macht: „In den vergangenen Jahren habe sich die Kommunistische Partei Chinas zu einer extrem nationalistischen und faschistoiden Partei entwickelt, sagt der Politologe Wu Qiang.“
Dagmar Henn ist Mitglied des Deutschen Freidenker-Verbandes
Link zur Erstveröffentlichung auf RT DE: https://de.rt.com/meinung/120118-die-rede-und-die-propagandisten-was-deutsche-medien-aus-xi-jinpings-rede-machen/
Bild: Xi Jinping, Generalsekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh), bei seiner Rede zum 100. Jahrestag der Gründung der KPCh in Peking am 1. Juli 2021.
Foto: Xinhua
Quelle: http://english.www.gov.cn/news/topnews/202107/02/content_WS60de7534c6d0df57f98dc4af.html