PositionenZentrale Veranstaltungen

Freidenker-Verbandstag: Vorsitzwechsel nach 33 Jahren

Pressemitteilung vom 28.06.2021

„Frieden mit Russland und China!“ weiterhin an erster Stelle – Sebastian Bahlo warnt vor „politischer Paralyse nach Corona-Dauerbeschallung“ – „Vernünftiges Denken statt Panikmache – Gegen Notstandsgesetze und Ausnahmezustände“

Der am 26. und 27. Juni in Raunheim am Main tagende Verbandstag des Deutschen Freidenkerverbandes stand unter einem Motto, das schon 2019, also „vor Corona“ beschlossen worden war, doch die vor dem Corona-Hintergrund ergriffenen Maßnahmen wurden schon zuvor in der Klimadebatte ins Gespräch gebracht. Der bisherige Verbandsvorsitzende Klaus Hartmann erinnerte zur Eröffnung des Verbandstages daran, dass „in den letzten Wochen bereits Stimmen aus der Deckung kamen, die vorschlugen, dass man doch einige Einschränkungen, wie unter ‚Corona‘ eingeübt, auch für ein künftiges ‚Klima-Management‘ nutzen solle. Und es gehört wenig Fantasie dazu, dass vergleichbare Einschränkungen äußerst effektiv bei der Vorbereitung eines Krieges genutzt werden können.“ Dagegen habe man als zweiten Teil des Mottos gewählt: „Frieden, Völkerrecht und demokratische Rechte verteidigen! Volkssouveränität erstreiten!“

Angesichts von „Kriegstreiberei, Verdächtigungs-‚Kultur‘, imperialistischer Gleichschaltung und Zensur … sollte es doch für uns keine Überraschung sein, dass die imperialistischen Ideologie-Zentralen, zuvörderst Think Tanks und Stiftungen wie die des sogenannten ‚Philanthropen‘ George Soros eine ihrer vornehmsten Aufgaben in der Wehrlosmachung der Bevölkerung durch multiple Spaltungen sehen und in der Liquidierung aller Organisationen, die dem entgegenstehen. Die ideologische Hauptstoßrichtung: Den Klassengegensatz und das Bewusstsein von ihm zum Verschwinden zu bringen.“

„Wir haben kritisiert und tun dies weiterhin, dass kontroverse Meinungsäußerungen zu ‚Corona‘ verächtlich gemacht, ausgegrenzt und mundtot gemacht werden sollen. Wir verurteilen die Diffamierungskampagne gegen alles, was ‚Querdenker‘ genannt wird – die wurden früher mal als ‚Dissidenten‘ sehr geschätzt. Mir ist bewusst, dass sich unter dem Label ‚Querdenker‘ alles Mögliche und auch Unmögliche versammelt. Wer Abgrenzungsschwierigkeiten zu Neonazis hat, den unterstützen wir selbstverständlich nicht. Aber genauso unterstützen wir nicht, alle Proteste gegen das Corona-Regime unterschiedslos unter dem Sammelbegriff ‚Querdenker‘ in die Tonne zu treten und als ‚Nazis‘ zu labeln. Dieser Diffamierung, mit der Tendenz, jede Regierungskritik als ‚voll Nazi‘ zu diskreditieren, müssen wir entschieden entgegentreten.“

Mit Blick auf den deutschen Überfall auf die Sowjetunion vor achtzig Jahren erinnerte der neugewählte Vorsitzende Sebastian Bahlo im Bericht des Verbandsvorstandes an die skandalöse Resolution des EU-Parlaments, in der Hitler und Stalin gemeinsam die Schuld am Zweiten Weltkrieg gegeben wird“, und „die von extrem antirussischen Kräften propagiert wird, um das Tabu eines neuen Krieges gegen Russland zu beseitigen“. „Unsere unerbittliche Feindschaft zur NATO ergibt sich daraus, dass die NATO nie einen anderen Daseinszweck hatte, als den Krieg gegen Russland vorzubereiten.“ Die von Freidenkern unterstützte Losung „Frieden mit Russland“ propagiere „die Völkerfreundschaft, die doch im ureigensten nationalen Interesse Deutschlands ist. Denn von diesem Land wird bei einem neuen Krieg gegen Russland endgültig nichts mehr übrig bleiben. Deshalb unterstützt der Freidenkerverband weiterhin Aktionen der Friedenbewegung: „Stopp AirBase Ramstein“, „Atomwaffen raus aus Büchel“, „Kein Aufmarschgebiet gegen Russland“, „Deutschland raus aus der NATO – NATO raus aus Deutschland“.

Der Veranstaltungssaal des Verbandstages

Bahlo betonte angesichts der vielfältigen Spaltungsmanöver in der Gesellschaft, dass „uns im Deutschen Freidenker-Verband die Grundüberzeugung eint, dass der Mensch prinzipiell in der Lage ist, die Gesetze der Natur und der Gesellschaft zu erkennen und zu humanen Zwecken auszunutzen, daher stehen Bewusstsein und gesellschaftliches Sein der Menschheit jederzeit im Mittelpunkt unseres Interesses.“

Er erinnerte an die „sogenannte Flüchtlingskrise 2015, von der deutschen Regierung planmäßig herbeigeführt, die das Land spaltete“, und „von der Bevölkerung ein Bekenntnis zur angeblich humanen Regierungspolitik verlangt wurde“. „Solidarität mit Migranten und Flüchtlingen und antirassistische Agitation“ bedarf „nicht heuchlerischer Moralisierung“, sondern die „Erkenntnis: Unkontrollierte Massenmigration nützt hauptsächlich den Eliten in den kapitalistischen Zentren. Sie schafft ernste Probleme für die Bevölkerung der Zielländer, die selbstverständlich nicht den Migranten anzulasten sind. Noch schlimmer wirkt sich Massenmigration allerdings auf die Herkunftsländer aus. Sie bluten aus, verlieren ihre leistungsfähigsten Arbeitskräfte und ihre besten Köpfe, das Ergebnis ist wirtschaftliche Stagnation und verstärkte Abhängigkeit von den Zentren.“

Der neue Vorsitzende erinnerte, dass es „2019 kein anderes Problem als ‚Klimaschutz‘ mehr zu geben schien“. Doch trotz „des behaupteten wissenschaftlichen Konsenses wird die wissenschaftliche Wahrheit nicht durch Mehrheitsentscheid festgestellt. Wissenschaftler sind Menschen mit Interessen, Überzeugungen, Ängsten. Auch richtige wissenschaftliche Erkenntnisse können zur Rechtfertigung reaktionärer Entwicklungen missbraucht werden.“ Kritik ist immer notwendig, und die Diffamierung von Kritikern als „Klimaleugner“, „Verschwörungstheoretiker“, eigentlich „Nazis“ ist inakzeptabel. Freidenker bestehen darauf, dass „alle mit einem rationalen Humanismus vereinbaren Positionen sachlich ausdiskutiert werden können“. „Können Wissenschaftler den Ausnahmezustand erklären? – die Frage leitet nahtlos zu den Auseinandersetzungen des Jahres 2020 über.“

„Wenn wir über ‚die sogenannte Coronakrise‘ sprechen, geht es darum, aufzuzeigen, dass keine Krise monokausal ist. Das Virus ist jedenfalls da, und es tötet Menschen. Aber welche anderen Faktoren, welche menschengemachten Faktoren haben mit zum Tod geführt? Die Entscheidung, Menschen aufgrund eines positiven PCR-Tests mit soundso-vielen Zyklen in Quarantäne zu schicken, wurde nicht vom Virus getroffen. Das ist nur ein kleines Beispiel von vielen. Einen biologisch-natürlichen Verlauf einer Epidemie kann es in der menschlichen Gesellschaft nicht geben. Doch genauso falsch wie eine monokausale Virustheorie ist die entgegengesetzte monokausale Theorie, dass alles eine Inszenierung oder ein Manöver sei. Die Gesellschaft hat kein Zentrum, aus dem heraus alles, was geschieht, vorausgeplant wird, schon gar nicht die kapitalistische Gesellschaft. Abzulehnen ist insbesondere die Idee, dass China mit Corona irgendwelche finsteren Weltherrschaftspläne verfolgt.“

Den „verfassungswidrigen und unverhältnismäßigen volksfeindlichen Maßnahmen entgegenzutreten, setzt eben nicht voraus, dass man von der Harmlosigkeit des SARS-Co-2-Virus überzeugt ist. Im Gegenteil, ein breiter wirksamer Protest dürfte den Teilnehmern eben keine Festlegung in dieser Frage aufzwingen. Und wer glaubt, 90 Prozent der Menschen seien dumme ‚Schlafschafe‘, für wen kämpft der eigentlich? Ist das ein demokratischer oder nicht ein sehr elitärer Protest?“

„Natürlich muss an dieser Stelle auch gesagt werden, dass Kräfte, die für den sozialen Fortschritt stehen, auf ganzer Linie versagt haben, den rationalen Kern der Corona-Proteste zu erkennen und sie durch ihre aktive Teilnahme in eine bessere Richtung zu lenken. Ein paar Spinner, ein vereinzelter Neonazi, da war der bequeme Vorwand gefunden, sich von der ganzen Sache zu distanzieren. Es wird doch umgekehrt ein Schuh draus: Wenn die ideologisch gefestigten Kräfte fernbleiben, weil ihnen der Mut fehlt, sind die Mikrofone eben in den Händen der leicht Verwirrten. Dies dann als Beweis dafür zu nehmen, wie richtig das Fernbleiben war, heißt sich seinen eigenen Opportunismus schönlügen.“

Klaus Hartmann: „Selbstverständlich gibt es bei diesen Demonstrationen – wie bei anderen auch – einen gewissen Prozentsatz von Spinnern. Aber nirgendwo ist der Prozentsatz der Spinner so hoch wie im Bundestag und in der Regierung!“

Der Verbandstag beschloss zahlreiche Anträge, so „Für Frieden und Kooperation mit der Russischen Föderation und der VR China“, die Aktualisierung des Forderungsprogramms zur Trennung von Staat und Kirche, ein Thesenpapier „Freidenker und Medien“, in dem „neue öffentliche Räume im Netz und öffentliche soziale Medien unter öffentlicher Kontrolle“ gefordert werden, schließlich die „Verteidigung demokratischer Rechte“, wobei Notstandsgesetze und Ausnahmezustände, z.B. auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes, verurteilt werden, ebenso die Unterdrückung der Proteste dagegen durch Polizeigewalt.

Klaus Hartmann kandidierte bei diesem Verbandstag nicht wieder als Bundesvorsitzender. Seit seiner ersten Wahl mit 33 Jahren im Jahr 1988 übte er diese Funktion 33 Jahre und drei Wochen, „sein halbes Leben lang“ aus. Nach seiner Überzeugung gehöre es sich für eine Kulturorganisation, den Wechsel an der Spitze kulturvoll zu vollziehen, ohne Hauen und Stechen, Grabenkämpfe und Intrigen. Man müsse vor dem Nachlassen der eigenen Leistungsfähigkeit und in einer Zeit der Einigkeit über die „politische Linie“ die Chance nutzen, die Verantwortung in jüngere Hände zu legen. Der Verbandsvorstand schlug deshalb Sebastian Bahlo, der zuvor vier Jahre als Referent für Frieden und Internationale Solidarität sowie fünf Jahre als stellvertretender Vorsitzender fungierte, zum neuen Verbandsvorsitzenden vor.

Klaus Hartmann und Sebastian Bahlo
Foto: Arbeiterfotografie.com

Vor den Wahlgängen würdigten Sebastian Bahlo, Ian Bailey und andere die Verdienste von Klaus Hartmann, den Verband stabil durch die Zeit der Konterrevolution und die Freidenker der DDR und der alten BRD erfolgreich zusammengeführt zu haben sowie das Profil des Verbandes als antifaschistische, antimilitaristische und antiimperialistische Organisation entscheidend geprägt zu haben. „Wir haben einen einmaligen Verband, in dem jeglichem Dogmatismus mit gründlicher Analyse begegnet wird, der seine als richtig erkannten Positionen unbeeindruckt von Opportunitäten, Befindlichkeiten, Anfeindungen und Verleumdungen vertritt, der Erfahrungen aus der BRD und der DDR zusammenführt und inneren Spaltungen entgegenwirkt“, so Sebastian Bahlo. Neben diesen und echten Blumen sowie einem Bild von Guido Zingerl erhielt Hartmann noch ein „Abschiedsständchen“, das Sabiene Jahn für ihn sang. Obwohl es eigentlich doch kein Abschied war – er kandidierte als stellvertretender Vorsitzender.

Bei der Wahl zum Bundesvorsitzenden erhielt Sebastian Bahlo 97,5% und Klaus Hartmann als Stellvertreter 100% der abgegebenen gültigen Stimmen. Als Mitglieder des geschäftsführenden Verbandsvorstandes wurden mit Ergebnissen zwischen 88 und 100% Annett Torres (Gera), Klaus Linder (Berlin), Monique Broquard (Saarland) sowie Ralf Lux (Potsdam) bestätigt. In den Verbandsvorstand, dem auch die Vorsitzenden der Landesverbände angehören, wurden vom Verbandstag direkt gewählt: Pablo Graubner (Wetzlar), Jens Oldenburg (Potsdam), Björn Schmidt (Hannover), Dr. Werner Rügemer (Köln) sowie Bernd Raths (Frankfurt am Main).

Der alte und neue Vorstand. v.l.n.r.: Klaus Linder, Ralf Lux, Annett Torres, Sebastian Bahlo, Klaus Hartmann, Monique Broquard
Foto: Arbeiterfotografie.com 

 


Download

Die Pressemitteilung als PDF ansehen oder herunterladen (PDF-Dokument, 329 KB)


..