1. Mai in Offenbach: Auf die Straße
Vielerorts hatte der DGB „wegen Corona“ kämpferische Mai-Kundgebungen und Demonstrationen abgesagt. Ausgegeben wurde die Losung „Solidarität ist Zukunft“ mit dem rätselhaften zweiten Teil: „die Krise gerecht gestalten!“ Im DGB-Bezirk Hessen-Thüringen fanden gewerkschaftliche Kundgebungen an 36 Orten, hauptsächlich in größeren Städten, statt. Inhaltlich waren sie „durchwachsen“ – kritisiert wurden die sozialen Auswirkungen der Lockdown-Politik, zugleich wurde in die Mainstream-Kritik an Demonstrationen für die Verteidigung von Grundrechten eingestimmt, die unterschiedslos unter „Querdenker“ subsummiert wurden. In Frankfurt am Main hielt Oberbürgermeister Feldmann (SPD) eine Lobrede auf den neuen US-Präsidenten Biden.
Einen Lichtblick bot die diesjährige Kundgebung in Offenbach am Main, nicht nur wegen der kulturellen Gestaltung mit traditionellen und aktuellen Arbeiterliedern durch Ernesto Schwarz vom Freidenkerverband. Die DGB-Kreisvorsitzende Brigitte Bach-Grass: „Die Corona-Krise zeigt uns wie ein Brennglas, wo Handlungsbedarf besteht“, z.B. bei der Situation von geringfügig Beschäftigten und Solo-Selbstständigen, aber auch beim Rückfall in alte Rollenklischees: meistens seien es Frauen, die auf ihren Job verzichteten, um sich um die Kinder zu kümmern.
Die Hauptrede hielt Holger Renke, der Betriebsratsvorsitzende des Sana-Klinikums in Offenbach. „Trotz Corona“ und des allgemeinen Klagens wegen der Überlastung des Gesundheitssystems und der Kliniken plane der Sana-Konzern den Abbau von rund 1.000 Stellen, in Offenbach könnten bis zu 90 Stellen wegfallen. Und dies, obwohl die Mitarbeiter teilweise unter kritischen Arbeitsbedingungen litten und trotz ihrer schweren Arbeit noch nicht einmal den Corona-Bonus bekommen hätten . Renke rief die Teilnehmer auf, mit Protesten der Geschäftsführung klar zu machen, was sie davon halten: „So heftig, dass dort Rechner und Faxgeräte glühen.“
Weniger erfreulich: Kein Grill, kein Getränkeverkauf und auch keine Infostände waren auf dem Kundgebungsplatz erlaubt – angeblich eine Auflage der Versammlungsbehörde. Merkwürdig bloß, dass diese Auflage bei allen anderen hessischen DGB-Kundgebungen identisch war. Glücklicherweise bot eine „befreundete Gaststätte“, die Offenbacher „Stadtschänke“, direkt am Platz Serbischen Bohneneintopf und Getränke an, und zudem die baulichen Voraussetzungen für einen Freidenker-Infostand.
Fotos: Rainer Golembiewski, Mirjana Vućković und Dieter Galm
Beitragsbild oben: Rainer Golembiewski